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Besprechung CD

Challenge Classics CC72526

1 CD • 45min • 2010

31.10.2011

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 8
Klangqualität:
Klangqualität: 8
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 8

Der junge, aus Japan stammende und von Geburt an blinde Tsujii Nobuyuki gehört zur fast schon unüberschaubaren Garde asiatischer Pianisten (und Pianistinnen), die mit den verschiedensten Labels in Kontakt sind und dementsprechend eine Fülle von Neuanspielungen anbieten. Noboyuki war zum Zeitpunkt seiner hier dokumentierten Liszt- und Mussorgsky-Deutungen 22 Jahre alt. Wettbewerbserfolge zieren seinen künstlerischen Werdegang, so u.a. eine hohe Auszeichnung bei der texanischen Van Cliburn-Konkurrenz im vergangenen Jahr. Sein Tun und Wollen basiert auf den pädagogischen Beistands- und Inspirationsleistungen von namhaften japanischen Pädagogen wie Yukio Yokohama und Kyoko Tabe.

Ob es günstig war und ist, sich mit drei so viel gespielten, auf Tonträgern mehr als reichlich greifbaren Titeln an die Öffentlichkeit zu begeben, wage ich nur diskret zu beurteilen. Oft, ja allzu oft geht es ja nicht um merkantile Erfolge, sondern um Investitionen in Richtung Erfahrungswachstum, Präsenz im internationalen Katalog, um Rückmeldung in wichtigen Fachpublikationen und um unverzichtbare Werbung im Rahmen der Konzertauftritte.

Nobuyuki nähert sich den Mussorgsky-Bildern mit der Gelassenheit eines jugendlichen Altklugen, was keineswegs bedeutet, dass er nicht – wie etwa im Trubel des „Marktplatzes von Limoges“ auch kräftig loslegen kann. Mit Gelassenheit meine ich im Einzelnen Nobuyukis Anlage der „Promenaden“ und im Gesamtbild seiner Darbietung eine handwerklich abgesicherte Unaufgeregtheit, die in vielen Passagen ein beträchtliches Maß an Voraussehbarkeit der Artikulation und der sozusagen bildnerischen Präzisierung mit sich bringt. Die erste „Promenade“ – der sowohl körperlich als auch metaphorisch zu deutende Einstieg in das Ausstellungsgelände –, dieser Eintritt wirkt bei Nobuyuki so gebremst, als sitze er bereits ein wenig ermüdet auf einer jener Bänke, wie sie in vielen Museen dem konzentrierten Schauen dienlich sind. Bei allem Verständnis für eine meditativ angehauchte Handhabe dieser Wegstrecke sollte doch ein wenig mehr Vorwärtsbewegung ersichtlich bzw. hörbar sein, ausgestattet mit kleinen Dosierungen von Rubato und atmender Phrasierung. Hier aber buchstabiert und liest der Interpret, als handelte es sich um die zögerliche Lektüre des Ausstellungskatalogs.

In der pianistischen Choreographie des „Kükenballetts“ folgt Nobuyuki der mehrheitlichen Wiedergabekonvention, indem er die kleinen gefiederten Erdenbürger wie die Bonsai-Variante einer imaginären Bolschoi-Truppe vorüber paradieren lässt. Das könnte etwas wackeliger, weniger mechanisch abgezirkelt über die Rampe kommen, zumindest nicht so sehr als Geschmeidigkeitsetüde über das Thema bereits frühreifer Eierschalenflüchtlinge. In dieser Hinsicht einer altersgemäßen Küchlein-Porträtierung ist mir einzig und allein eine Konzertwiedergabe des Zyklus’ in Erinnerung, in deren Verlauf der Pianist Oleg Maisenberg die Szene als tänzerischen Versuch mit allen Konsequenzen des Kippelns und des Stolperns ins bewegte Bild rückt.

Nobuyuki beweist in den markanten, in den lauten Stücken eine gehörige Portion an Kraft und Treffsicherheit, er lässt es im Schlussbild nicht an wuchtigen Glockenschlägen und Skalenprägnanz fehlen. Er präsentiert sich mithin als einer jener technisch gut gerüsteten, zuverlässig die vordergründigen Probleme lösenden Klaviertechniker, denen es jedoch an Eigensinn und zwischentönigen Espressivo-Werten mangelt – Befähigungen, mit denen es erst gelingen würde, eine Werkdarstellung als notwendig und damit als unvergesslich auszuweisen. Unter diesen Vorzeichen enthalten die beiden Liszt-Vorführungen allenfalls ansatzweise Merkmale individuellen Formulierungswillens – ein Manko vor allem im Hinblick auf den reich bestückten Katalog. Hinzu kommt, dass es dieser Challenge classics-Edition mit nur knapp 45 Minuten Spieldauer an Quantität fehlt. Da wäre ein etwas kleinformatiger Mussorgsky oder das eine oder andere von Liszt durchaus willkommen gewesen. So erinnert diese Einspielung an frühe Zeiten der Compact Disc, als die Deutsche Grammophon beispielsweise ein Beethoven-Konzert mit Pollini ohne literarisches Zubrot zum Vollpreis publizierte!

Vergleichsaufnahmen – Mussorgsky: Richter (Sofia 1958 – Philips; Budapest 9.2.1958 – WHRA-6023), Schirmer (Tacet DVD-Audio D 132), Tiempo (EMI 5 58018 2), Wehr (Connoisseur Society CD 4252), Zilberstein (Hänssler 98.213), Igoshina (Warner 2564 63427-2), Douglas (RCA 09026-61171-3), Kapell (Melbourne 1953 – Sony/BMG 8287685602), F. Kempf (BIS SACD 1580), Chen (Pentatone PTC 5186 355), Bonamy (Genuin 89160), Ciccolini (EMI 50999 685824 2 5), Yoshizumi (Genuin 11199), Sevhonkian (ambitus 97905), Erdmann (17.3.1952 – TAH 199-200), Kissin (RCA 09026 63884 2), Demidenko (Hyperion CDA 67018), Auerbach (Lyric Records 101), Ogawa (Manuskript-Version – BIS 905), Kuschnerova (Orfeo C 284 021 A), Vogt (EMI 557299 2), Douglas (Tschaikowsky-Wettbewerb 1986 – Melodia 52959 2), Korstick (Ars musici AM 1251-2), Belli (Thorofon CTH 2446), Moiseiwitsch (Piano Library 246), Petukhov (Opus 912677-2), Wild (Ivory 70903), Firkusny (Salzburg 16.8.57 – Orfeo C 633041 B), Lahusen (celestial harmonies 13248-2), Horowitz (RCA), Weissenberg (EMI).

Peter Cossé † [31.10.2011]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Modest Mussorgsky
1Bilder einer Ausstellung 00:32:53
Franz Liszt
17Konzertetüde Nr. 3 Des-Dur S 144/3 (Un sospiro) 00:04:51
18Konzertparaphrase nach der Oper »Rigoletto« von G. Verdi S 434 R 267 für Klavier 00:06:44

Interpreten der Einspielung

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