Bachs Kunst der Fuge ist und bleibt ein schwer zu entschlüsselndes Werk und gilt schon dadurch, dass Bach hier die Besetzung völlig offen lässt und keinerlei Hinweise auf eine Interpretation macht (Dynamik), als Inbegriff absoluter Musik, vielleicht gar als abstraktes Kunstwerk. Wenn sich ein Musiker auf dem Cembalo dieser Enzyklopädie des Kontrapunkts annimmt, ist dies besonders respekteinflößend. Gerade dieses Instrument scheint wenig klangliche Möglichkeiten zu bieten, hier adäquate Transparenz zu erreichen oder gestalterisch groß einzugreifen – ein Vorurteil, wie die neue Aufnahme mit Aapo Häkkinen beweist.
Angesichts des Ansehens, das Joachim Raff als Symphoniker und Kammermusikkomponist heutzutage verdientermaßen wieder genießt, ist es nur natürlich, dass auch Raffs Schaffen abseits dieser Gattungen zunehmend beachtet und zur Diskussion gestellt wird. So gelangte 2022, im Jahr seines 200. Geburtstags die Oper Samson, das Hauptwerk seiner frühen Jahre, in Weimar erstmals auf die Bühne, und im Leipziger Gewandhaus gedachte man seines Oratoriums Welt-Ende. Gericht. Neue Welt, das er 1882 kurz vor seinem Tode vollendet hatte.
Wenn das vorliegende Album sich auf Orchesterwerke jüdischer Komponisten aus den drei Jahren 1927-1929 konzentriert, liegt dies natürlich nicht nur im Vorabend zum Nationalsozialismus begründet, der drei der vier hier vorgestellten Komponisten ins Exil treiben sollte. Ebenso erstaunt die stilistische Vielfalt dieser Musik, die nur teilweise jüdisch geprägt ist.
„Beau Soir“ – ein hübscher Name für das Trio mit dem Panflötisten Sebastian Pachel, der Harfenistin Nora Koch sowie Johann Blanchard am Klavier. Auf ihrem Debüt-Album „Impressions“ widmet sich das Ensemble dem französischen Dreigestirn Fauré, Debussy und Ravel. Sebastian Pachel, der sich die Etablierung der Panflöte in der klassischen Musik zum Herzensanliegen macht, hat die Werke selbst für seine einzigartige Trio-Besetzung arrangiert. Recht bekannte Stücke erstrahlen hier in unkonventioneller Instrumentierung. Dabei unterläuft Pachel auf reizvolle Weise die Erwartungen der Hörer. So wird in Faurés Sicilienne die Panflöte vom Klavier begleitet – nicht von der in der Orchesterfassung dominanten Harfe
„Entweder ganz oder gar nicht“ scheint die Devise von Pauline Chenay, Violine, Fanny Fheodoroff, Violoncello und der Pianistin Angèle Legasa zu lauten, die sich zum Trio Sōra zusammengeschlossen haben. Nachdem bereits sämtliche Beethoven-Trios eingespielt wurden, ist jetzt die Brahms-Gesamtschau angesagt. Geigerin und Pianistin kennen sich bereits vom Studium am Pariser Conservatoire, 2022 kam aus Wien die Cellistin hinzu. Somit ist es höchst beachtlich, wieviel intuitives Verständnis die drei Damen binnen eines Jahres (die Aufnahmen entstanden 2023) füreinander entwickelt haben.
Dass Mozart und Haydn sich bei ihren Streichquartett-Kompositionen gegenseitig inspirierten und beflügelten, dass hier Meister von Meister lernten, weiß man. Trotzdem will das spanische Streichquartett mit dem hübschen Titel „Trifolium“, also: Kleeblatt, dies nachdrücklich mit dieser CD demonstrieren und stellt Mozarts KV 387 (aus der Haydn gewidmeten Quartett-Reihe) gegen Haydns op. 74/2: geistvolles Zusammenwirken von Fuge und Sonatensatzform, „Musik aus Musik, filtrierte Kunst (Alfred Einstein), gegen schon sinfonisch-gedachtes Quartettspiel. Dabei gelingt es dem spanischen „Kleeblatt“, den Spruch des Mozart-Biografen Einstein hörbar zu machen: „Mozarts Themen haben in sich, aus denen Haydns wird sich etwas entwickeln.“
Musik im Schatten des Dritten Reiches Regina Reiter • Danlin Felix Sheng
Kaleidos KAL 6367-2
1 CD • 65min • 2023
15.05.2024 • 8 8 9
Alle zwei Jahre findet in Schwerin der Internationale Wettbewerb Verfemte Musik statt, und aus diesem Anlass schlossen sich im Jahre 2018 die junge Saxophonistin Regina Reiter und der Pianist Danlin Felix Sheng zu einem Duo zusammen, das auch über den Wettbewerb hinaus bestehen blieb. Ihre jüngst erschienene erste CD greift die Wettbewerbsthematik erneut auf und präsentiert ganz im Sinne des Untertitels Musik „im Schatten des Dritten Reiches“.
Schon mit sechs Jahren saß er das erste Mal am Klavier, mit zwölf fing er an zu komponieren. Lange arbeitete er als Assistent von Teodor Currentzis. Heute ist der 1987 als Sohn griechischer Eltern in Stuttgart geborene Ektoras Tartanis 1. Kapellmeister am Theater Freiburg und Chefdirigent der Niederbayerischen Philharmonie. Auf dieser CD präsentiert er sich ausschließlich als Komponist, wobei ihm hochtalentierte Sänger und Musiker als Mitstreiter zur Verfügung stehen, die er aus der Arbeit in Freiburg kennt. Ihrem temperamentvollen und kompetenten Vortrag ist es zu danken, dass die noch kaum bekannten Kompositionen den Hörer förmlich überrumpeln.
Schier unüberschaubar ist die Anzahl der Kantaten, die Georg Philipp Telemann komponiert hat, ca. 1750 sind es. Die Gambistin Simone Eckert und ihre Hamburger Ratsmusik haben hier die Inaugurationskantaten vorgelegt, mit denen Telemann sich 1721 in Hamburg eingeführt hat. Es sind jetzt nicht die fantasievollsten seiner Kantaten, gerade was die Arien anbelangt, außerdem waren es nicht für Hamburg neu komponierte, sondern Kantaten, die er schon in Eisenach und Frankfurt komponiert hatte. Insofern haben diese hier vorgelegten Kantaten mehr einen Repertoirewert.
Schaut man sich die fünf Herren auf dem CD-Cover an, so wundert man sich, dass das Ensemble wirklich erst seit 2022 bestehen soll. Doch tatsächlich handelt es sich bei der Gründung des Reinhold Friedrich Brass Quintetts um einen langgehegten Lebenstraum des Namensgebers. Dem Trompeter Reinhold Friedrich ist es gelungen, mit Jeroen Berwaerts (Trompete), Lasse Mauritzen (Horn), Ian Bousfield (Posaune) und Thomas Roisland (Tuba) die internationale Spitzenklasse ihrer Instrumente zusammenzubringen. Und mit diesen Vertretern spielen zugleich auch ein Deutscher, ein Belgier, ein Däne, ein Brite und ein Norweger zusammen – da passt der Titel UNITY für die Platte doch perfekt. Bei dieser handelt es sich zwar um die Debüt-CD, die bei Solo Musica erschienen ist, die aber gar nicht so klingt. [...]
Klarinettenquintette Simon Reitmaier • Auner Quartett
Gramola 99123
1 CD • 1h 28min • 2016, 2017
11.05.2024 • 10 10 10
Drei Klarinettenquintette stellt die vorliegende CD (mit einer Spieldauer von beinahe 88 Minuten geradezu sensationell prall gefüllt) einander gegenüber: Mozarts Quintett, das die Gattung faktisch etablierte, bildet sinnigerweise den Anfang, Max Regers Quintett, das in mancher Hinsicht auf Mozarts Werk Bezug nimmt und selbst ein Markstein des Repertoires ist, den Abschluss, und dazwischen findet man mit dem Quintett von Ernst Ludwig Leitner ein jüngeres Werk, das sich ebenfalls und noch wesentlich direkter auf Mozarts Quintett bezieht. Der junge österreichische Klarinettist Simon Reitmaier spielt diese Werke gemeinsam mit dem 2013 in Wien gegründeten Auner-Quartett.
Alexander Asteriades (Jg. 1941) hat in Erlangen in Philosophie promoviert und in München an der Musikhochschule ein Examen für das Lehramt abgelegt. Als Komponist ist er jedoch Autodidakt, hat das Handwerk nach eigener Aussage durch das intensive Studium von Komponisten des 15. bis 20. Jahrhunderts erlernt, mit deren Werken er sich als Geiger, Chor- und Orchesterleiter auch praktisch auseinandergesetzt hat. Er ist also ein Eklektiker im besten Sinne des Wortes. Dennoch haben seine hier präsentierten Arbeiten keinen „second-hand“-Charakter, sind in gewisser Weise eigenständig und zeigen eine persönliche Sicht auf die behandelten Sujets. Sehr originell in dem String Quartet, das wie eine dreisätzige Sonate aufgebaut, aber von literarischen Texten inspiriert ist.
Transkriptionen sind gleichermaßen anspruchsvolles Handwerk wie hohe Kunst. Durch sie werden originale Werke für ein neues Instrument erschlossen, wird neues Repertoire geschaffen. Die Frage nach dem Warum ist damit schon zum Teil beantwortet: von jeher versuchten Musiker ihr Repertoire zu erweitern, von jeher wollten sie jene Werke spielen, die eigentlich gar nicht für ihr Instrument geschrieben wurden, auch wenn es manchmal wie ein Ding der Unmöglichkeit anmutet – etwa im Falle des Konzertes für vier Cembali (BWV 1065) von Johann Sebastian Bach. Genau das hat der Pianist Florian Noack aber versucht. Natürlich geht es dabei nicht darum, jede einzelne Note zu retten, sondern darum, die musikalische Substanz so gut es geht an das neue Instrument anzupassen.
Im Laufe der letzten drei Dekaden hat der dänische Organist Sven-Ingvart Mikkelsen eine recht eindrucksvolle Diskographie eingespielt, die eine ganze Reihe von Schwerpunkten aufweist von Barockmusik (Böhm, Scheibe, Vivaldi, Guilain) über Raritäten des Repertoires (neben dem Norweger Hans Matthison-Hansen auch die nach wie vor einzige Einspielung von Max Bruchs Orchestersuite Nr. 3) bis hin zu Transkriptionen (oft für Violine und Orgel), speziell in jüngerer Zeit sind auch Arrangements von Rockmusik hinzugekommen. Sein neues Album bei OUR Recordings greift einige dieser Aspekte auf, indem es Klassiker der Rockmusik (in Mikkelsens eigenen Transkriptionen) mit Werken von Johann Sebastian Bach kombiniert.
Das Leipziger Streichquartett möchte in diesem Jahr die Gesamtaufnahme der Haydn’schen Streichquartette zum Abschluss bringen. Zuvor aber widmeten sich Stefan Arzberger, Tilman Büning, Ivo Bauer und Peter Bruns den Anfängen der Quartettproduktion überhaupt. Denn die Werke op. 1, Nr. 1 – 6, wobei die Nummer op. 1, 0 anstelle der früheren op. 1,5 steht, markieren gleichsam die Wende von den Kinderschuhen der Divertimenti zu den ausgewachsenen, zunächst noch fünfsätzigen Quartetten. Entstanden sind sie gegen Ende der 1750er Jahre für die „musikalischen Unterhaltungen“ im Schloss Weinzierl des Barons von Fürnberg, wobei der Komponist selbst mitwirkte.
Nach dem sensationellen Erfolg seiner Opera buffa Il matrimonio segreto, die 1792 in Wien ihre Uraufführung erlebte, wählte Domenico Cimarosa, nach Neapel zurückgekehrt, für seinen dortigen Einstand ein Sujet, mit dem er an diesen Erfolg anzuknüpfen hoffte, und griff dabei auf Teile des zuvor geschriebenen Einakters Amor rende sagace zurück: Le astuzie femminili (auf deutschen Bühnen später unter dem Titel Weiberlist gespielt). Das Libretto, das ihm Giuseppe Palomba auf der Basis der älteren Vorlage konstruierte, ist streckenweise etwas abstrus und weitschweifig, spielt aber geschickt mit den bewährten Elementen der neapolitanischen Buffa, zu denen auch der Gebrauch des dortigen Dialekts, komische Duelle sowie der Einsatz von pittoresken Verkleidungen gehörten.
Pau Marquès i Oleo, der Cellist des jungen niederländischen Belinfante Quartets, stammt von der Insel Menorca, deren Lage auf dem 40. Breitengrad Nord Inspiration, Ausgangs- und auch Zielpunkt des vorliegenden neuen Albums des Quartetts ist. In 21 Tracks und 17 verschiedenen Stationen geht es – eben gerade auf diesem Breitengrad – einmal rund um den Globus mit musikalischen Visitenkarten aus aller Welt, teils Originalwerke für Streichquartett, teils Arrangements von Volks- oder Kunstmusik der jeweiligen Länder.
Charles François Dieupart (1667/76–1740) und J. S. Bach (1685-1750) sind Zeitgenossen – wobei Dieupart allem Anschein nach ungefähr so alt gewesen ist wie Bachs älterer Bruder Johann Christoph Bach (1671-1721), in dessen Obhut der zehnjährige Sebastian nach dem Tod beider Eltern kam. J. S. Bach hat seinen französischen Kollegen offenbar bewundert; in der Frankfurter Universitätsbilbliothek befindet sich seine sorgfältige Abschrift von Dieuparts sechs Cembalosuiten (von denen zwei hier erklingen), bei der Bach auch eine Verzierungstabelle anlegte: Sie zeigt sein Interesse, sich die Kunst seines älteren französischen Kollegen tiefgründig anzueignen.
„Ostwärts“ lautet der Titel der neuen CD der Festival Strings Lucerne, und er ist hier in gleich zweifacher Weise Programm: Zum einen ist mit Robert Schumanns für Streicher bearbeitetem Zyklus Bilder aus dem Osten op. 66 ein Werk zu hören, das auf einer literarischen Vorlage von Friedrich Rückert beruht. Dabei handelt es sich um die deutsche Übertragung der „Makamen“ aus dem 12. Jahrhundert, einer Form der orientalischen Dichtung, die den Geschichten um Till Eulenspiegel ähnelt. Aber nicht nur der Nahe Osten ist hier vertreten, auf der CD sind auch Werke von den unsererseits östlich verorteten Komponisten Franz Schreker und Antonín Dvořák zu hören, von Letzterem etwa die Serenade für Streichorchester op. 22 und dessen Andante aus dem Streichquartett op. 9 in einer Weltersteinspielung.
Franz Schmidt (1874 – 1939) ist den Hörern von heute vor allem durch sein Oratorium Das Buch mit sieben Siegeln bekannt. Und öfters aufgeführt wird auch das Zwischenspiel aus seiner Oper Notre Dame von 1914. Der in Preßburg, dem heutigen Bratislava, geborene Komponist wirkte in Wien zunächst als Cellist und Pianist, bevor er sich als Schüler von Bruckner, Ferdinand Hellmesberger und Robert Fuchs als Komponist einen Namen machte. Der schweizerische Organist Andreas Jetter setzt sich nun für das Orgelschaffen Schmidts ein, das eine zentrale Rolle im Schaffen des Multitalents bildet.
Als ich am 3. August 1995 die große Ehre und Gelegenheit hatte, Sándor Végh in seinem Haus in Salzburg zu interviewen (es sollte sein letztes Interview sein), äußerte er sich sehr glücklich, dass das Spiel seines legendären Végh-Quartetts eine Nachfolge-Formation gefunden habe im Keller-Quartett: „Es wird weiterhin große Musik gemacht und Bartók verstanden.“ Primarius András Keller war ein musikalischer Ziehsohn seines großen Landsmanns, und er hat damals mit seinem Quartett wunderbare Aufnahmen u. a. von Bartók und Schubert für Erato gemacht. Nun hat sich András Keller schon lange dem Dirigieren zugewandt und für Tacet einen Bruckner-Zyklus begonnen, bei dem er sich mit seinem hervorragenden Concerto Budapest erfreulich viel Zeit lässt und mit klar strukturierten, fein empfundenen und das Drama der großen Form brillant entfaltenden und balancierenden Darbietungen heute als einer der besten Bruckner-Dirigenten dasteht, dessen Beispiel für den wachen Hörer so manchen Schnellproduzierer bloßstellt.
Die Doppel-CD "Es rappelt im Salon – Rivalen der Comedian Harmonists" entführt in die faszinierende Welt des Schlagers einer vergangenen Ära. Diese Sammlung präsentiert eine sorgfältig ausgewählte Zusammenstellung legendärer Originalsongs, ebenso wie eine Kollektion liebevoll neu aufpolierter Versionen, die von den Ensembles Nobile und ensembleleipzigersalon neu interpretiert wurden. Egal ob Comedian Harmonists, die längst Kultstatus erlangt haben oder die Zeitgenossen dieser ersten Boygroup der Musikgeschichte – Schlager waren damals etwas anderes als die konfektionierte Massenware der heutigen Unterhaltungsindustrie. Sie portaitierten humoristisch das Lebensgefühl vieler Zeitgenossen und es war meist auch eine gehörige Portion musikalisch-handwerklicher Substanz im Spiel.
Organ Works Vol. 9 played on historical instruments of Reger's time
cpo 555 289-2
2 CD • 2h 25min • 2022
29.04.2024 • 9 9 9
Das Projekt von Gerhard Weinberger, das gesamte Orgelwerk von Max Reger auf historischen Instrumenten der Reger-Zeit aufzunehmen, ist bei Volume 9 angekommen. Diesmal sind es die Sauer-Orgel der Lutherkirche Chemnitz von 1908 und die Goll-Orgel der Kollegiumskirche Schwyz von 1912. Die Dispositionen beider Orgeln sind im Booklet angegeben. Entweder haben diese beiden Orgel einen insgesamt dunkleren Klang oder Weinberger wählt bewusst diesen Klang – manchmal wünschte ich mir eine klangliche Aufhellung. Außerdem scheinen die Mikrofone ziemlich weit vorne in der Kirche zu stehen, man hört nämlich die Orgeln ziemlich weit weg, einzig in Track 13 der CD I klingt sie nähergerückt.
Das Programm der neuen Panflöten-CD beim Label Prospero stellt sich als ein Sammelalbum dar, das sich das Motto „Für jeden etwas“ gegeben hat. Das mag damit zusammenhängen, dass es nicht einfach war, im klassischen Sektor für die Panflöte geeignete Stücke zu finden. Umso überraschender ist die Einspielung der Variationen Franz Schuberts über das Lied Trockene Blumen aus dem Zyklus Die schöne Müllerin. Es gelingt Hanspeter Oggier, der im schweizerischen Wallis aufwuchs, den im Original der Querflöte gewidmeten Part technisch versiert und musikantisch überzeugend zu gestalten. Die rauere, von hörbarem Luftzug begleitete Tongebung der Panflöte verleiht der Darstellung sogar einen besonderen Reiz. Und der aus Russland stammenden Pianistin Marina Vasilyeva, die als Korrepetitorin der Luzerner Panflötenklasse mit Oggier zusammenarbeitet, gelingt eine markante und einfühlsame Darstellung der anspruchsvollen Klavierstimme, ohne die Panflöte zu übertönen.
Mit der neuesten CD legt das Pianisten-Ehepaar Gülru Ensari und Herbert Schuch bereits sein viertes Album vor, „eternity“ genannt (und entsprechend illustriert mit einer Fotografie auf dem Albumcover, auf der die beiden Partner offenbar ein Unendlichkeitssymbol nachstellen). Enthalten sind Werke für Klavier zu vier Händen bzw. zwei Klaviere von Franz Schubert, Olivier Messiaen, Johannes Brahms und Ludwig van Beethoven, die allesamt eine wie auch immer geartete „transzendentale“ Komponente besitzen.
Sophe Dervaux, Gewinnerin des 2. Preises im ARD-Wettbewerb 2013 und Solofagottistin in Wien macht sich auf die Reise, alle Fagottkomzerte Antonio Vivaldis auf CD einzuspielen. Von allen Blasinstrumenten hat Vivaldi das Fagott mit 39 Werken am reichsten bedacht. Das ist eher ungewöhnlich, da dieses im italienischen Barock vorwiegend zur Verstärkung des Generalbasses eingesetzte Instrument, ansonsten eher in Frankreich und Deutschland obligate Verwendung in Ouvertüren-Suiten (Trios von Tanzsätzen) und paarweise in Arien konzertierend in Werken von Bach (h-Moll Messe und Telemann (u. a „Seliges Erwägen“, f-Moll-Sonate) fand. Möglicherweise erinnerte sich der Komponist aber an venezianische Canzonen und Ensemblesonaten mit konzertierendem Bassinstrument à la Girolamo Frescobaldi oder Giovanni Battista Fontana, die ebenfalls virtuose Partien für den Bassdulzian, den Vorläufer des Fagotts, enthalten.
Erfreute sich auch auf dem Tonträgermarkt eine Zeit lang Musik für Flöte und Orgel – zwar meist in Bearbeitungsform – größerer Beliebtheit, existieren Konzerte für Flöte(n), Orgel und Orchester als Originalkompositionen ab dem 19. Jahrhundert so gut wie nicht. Dem bot nun die Polska Filharmonia Bałtycka im. Fryderyka Chopina w Gdańsku mit gleich vier Auftragskompositionen – entstanden zwischen 2018 und 2022 – Abhilfe: Die Ergebnisse – natürlich sämtlich in Ersteinspielungen – sind höchst ansprechend.
Die junge, derzeit in Nürnberg engagierte Mezzosopranistin Corinna Scheurle, ist Deutsch-Ungarin und zweisprachig aufgewachsen. Hier präsentiert sie gemeinsam mit der Pianistin Klara Hornig ein Programm, das die ungarischen Komponisten Béla Bartók und Zoltán Kodály, die das Kunstlied als Gattung aus dem Geiste der Volksmusik erneuerten und ins 20. Jahrhundert führten, mit Liedern ihres Zeitgenossen Alban Berg und solchen des romantischen Liedmeisters Robert Schumann konfrontiert und in sinnreiche Verbindungen bringt.
Karl Wilhelm Ramlers für Carl Heinrich Graun im Jahre 1754 geschriebener Kantatentext Der Tod Jesu wurde kurz vor der Uraufführung der Graunschen Komposition 1755 von Georg Philipp Telemann komponiert und in dieser Form bereits eine Woche vor der Berliner Aufführung in Hamburg präsentiert. Offensichtlich ein Wettstreit der beiden befreundeten Komponisten. Der zweitjüngste Bach-Sohn, Johann Christoph Friedrich, vertonte den Text 1769. Schließlich zog der kurzmainzische erzbischöfliche Konzertmeister Georg Anton Kreusser (1746-1810) im Jahre 1783 nach und veröffentlichte seine Version bei Schott in Mainz. Dieser haben sich die Mainzer Domkantorei St. Martin und das Domorchester unter der Leitung von Karsten Storck in einem Konzert angenommen, das jetzt als Live-Mitschnitt veröffentlicht wurde
Wenn man an Opernhäuser in Italien denkt, denkt man zuerst an das Teatro alla Scala in Mailand, an das Teatro la Fenice in Venedig oder an das Teatro San Carlo in Neapel – weniger an das Teatro Regio in Turin. Und doch ist das 1740 in Turin gebaute Teatro Regio damals „das bestdurchdachte, bestaufgeführte und vollständigste Haus, das in Italien zu finden ist“ – so urteilt zumindest Joseph-Jérôme de Lalande Mitte der 1760er Jahre. Weil das königliche Theater nur in der Karnevalszeit bespielt wurde, diente das Teatro Carignano als weiterer Opern-Spielort. Diese CD möchte nun mit vielen Sopran-Arien demonstrieren, wie vielfältig das Operngeschehen in Turin im ausgehenden 18. Jahrhundert war.