Supraphon SU 3776-2
1 CD • 66min • 1964, 1966, 1977
09.07.2004
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Wie bewertet man historische Aufnahmen? Nach heutigen Maßstäben, was zur Folge hat, dass Tondokumente einer vergangenen Musizierpraxis als altmodisch dastehen? Nach den Kriterien der jeweiligen Zeit der Aufnahme, sofern diese greifbar sind? Oder nach absoluten Kriterien, was jedoch den historischen Kontext jeder Aufführungspraxis negieren würde?
Bei dieser CD wiegen diese Fragen umso schwerer, als es sich hier nicht um die alte Referenzaufnahme eines gewichtigen Werkes – etwa der Jupiter-Sinfonie – handelt, sondern um gehobene Unterhaltungsmusik aus dem 19. Jahrhundert. Die beiden Hauptwerke, Dvoráks Serenaden für Streichorchester bzw. Bläserensemble. sind charmante Werke voller geschmeidiger Melodien, verpackt in eine wohlklingende Instrumentation.
Die Ensembles spielen so, wie man es nach den Radikalkuren eines Harnoncourt, Végh oder Norrington heute sicher nicht mehr tun würde: breit, gemütlich und in den langsamen Sätzen auch etwas sentimental. Dynamische und agogische Nuancen werden nur wenig herausgestrichen. Das soll diese Interpretation nicht abqualifizieren, sie sind Dokumente einer Zeit, in der Dirigenten wie Karajan die Musikwelt dominierten und wo die breite Linie mehr galt als Detailreichtum und innere Logik der Klangsprache. Von diesem Standpunkt aus betrachtet ist die Aufnahme nicht ohne Reiz, sie ist klanglich und spielerisch ausgewogen und besitzt sinfonische Weite, ohne Puls und Rhythmus zu verlachlässigen.
Die Digitalisierung der sehr sauberen Analogbänder ist gut gelungen, das Klangbild ist natürlich und ohne die dabei oft zu hörenden Schärfen. Die räumliche Gliederung ist etwas flach, die Instrumentalgruppen erklingen hinsichtlich ihrer Präsenz aber gut ausbalanciert.
Das tschechische Label Supraphon hat mit dieser CD ein janusköpfiges Tondokument vorgelegt. Betrachtet man es hinsichtlich seiner Entstehungszeiten, so wird wiederholt deutlich, welch hohe Musizierkultur jenseits des eisernen Vorhanges existierte. Aus heutiger Sicht liegt dagegen ein Stück Interpretationsgeschichte vor, das Dokument einer inzwischen nur mehr rudimentär gepflegten Musizierpraxis.
Robert Spoula [09.07.2004]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Antonín Dvořák | ||
1 | Streicherserenade E-Dur op. 22 B. 52 | |
2 | Serenade d-Moll op. 44 B. 77 | |
Peter Tschaikowsky | ||
3 | Andante Cantabile op. 11 | |
4 | Chant sans paroles op. 2 Nr. 3 (1867) |
Interpreten der Einspielung
- Tschechisches Kammerorchester (Orchester)
- Tschechisches Philharmonisches Bläserensemble (Orchester)
- Josef Vlach (Dirigent)