Benjamin Bernheim
DG 483 6078
1 CD • 63min • 2018, 2019
08.11.2019
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
In den letzten Jahren haben einige lyrische Tenöre aus Frankreich die Szene betreten, die geeignet scheinen, die schon verloren geglaubte Tradition des „chant français“, zuletzt verkörpert durch Sänger wie Henri Legay und Alain Vanzo, wieder aufzunehmen. Drei Namen fallen mir da spontan ein: Mathias Vidal, Cyrille Dubois und Philippe Talbot. Der Schwerpunkt ihres Repertoires liegt auf der französischen Oper des 19. Jahrhunderts, aber sie sind ebenso im 18. zuhause. Ihr Landsmann, der in Paris geborene, in Genf aufgewachsene Benjamin Bernheim, der seit ein paar Jahren an allen großen Bühnen der Welt herumgereicht wird und jetzt bei Deutsche Grammophon sein erstes Solo-Recital vorlegt, ist offenbar aus einem anderen Holz. Er besitzt eine metallische italienische Stimme von heller Farbe und er singt den allseits kompatiblen „internationalen“ Stil. Sein Debüt-Album bestätigt das, indem es den Rollen-Radius von den Franzosen hin zu Donizetti, Verdi, Puccini und Tschaikowsky erweitert, wobei allerdings stilistische Unterschiede zwischen den Komponisten kaum auffallen und auf die Dauer des Recitals alles irgendwie gleich klingt.
Bernheim ist ein im Wortsinne „blendender“ Tenor, dem die hohen C’s in den Arien aus Faust und La Bohème mühelos aus der Kehle fließen, und damit ein natürlicher Gewinnertyp im heutigen Musikbusiness. Als „Geschichtenerzähler“ wurde er unlängst in einem „Klassik-Magazin“ bezeichnet. Und gerade das ist er nicht. Denn er findet nie den emotionalen Punkt seiner Rollen und ihrer Arien, und der Verdacht drängt sich auf, dass er ihn auch gar nicht gesucht hat. Im Stimmcharakter und im sängerischen Habitus erinnert er an den jungen Roberto Alagna. Ein Sonnyboy, der sich seiner auch stimmlichen Attraktivität wohl bewusst ist, scheint er mit jedem Ton „ist das Leben nicht wundervoll?“ ausdrücken zu wollen. Dass Lenski und Edgardo in Lucia ihre Abschiedsarien im Angesicht des nahenden Todes singen, dass Rodolfo in Luisa Miller seine Verzweiflung gleichsam hinausschreit, ist kaum zu ahnen. Und im französischen Repertoire, besonders in den entrückten Arien Werthers und Des Grieux’, vermisst man die Schattierungen, die Atmosphäre und den unvergleichlichen Touch des drame lyrique.
Die Auswahl der Nummern ist im übrigen nicht sehr originell, sieht man einmal von der letztlich verzichtbaren Arie aus der gänzlich unbekannten Oper Dante (1890) von Benjamin Godard ab, und die Abfolge erscheint willkürlich und beliebig. Und warum hat man den Arien aus Rigoletto und La Traviata, die dem Sänger gut in der Stimme liegen, nicht die Cabaletten hinzugefügt, die seinem Vortragsstil sehr entsprochen hätten? Die Orchesterbegleitung der Prager Philharmoniker unter Emmanuel Villaume ist zuverlässig mit der Tendenz zum Routinierten.
Ekkehard Pluta [08.11.2019]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Jules Massenet | ||
1 | Toute mon âme est là! - Pourquoi me réveiller (Chant d'Ossian - aus: Werther) | 00:03:17 |
Gaetano Donizetti | ||
2 | Una furtiva lagrima (2. Akt, Arie des Nemorino - aus: L' elisir d'amore) | 00:04:39 |
Charles Gounod | ||
3 | L'amour, l'amour ... Ah! lève-toi, soleil (aus Roméo et Juliette) | 00:03:57 |
Giuseppe Verdi | ||
5 | Lunge da lei… De' miei bollenti spiriti (2. Akt, Alfredo - aus: La Traviata) | 00:03:56 |
Peter Tschaikowsky | ||
7 | Kuda, kuda vi udalilis (from: Eugen Onegin op. 024) | 00:06:23 |
Giuseppe Verdi | ||
9 | Ella mi fu rapita! … Parmi veder le lagrime (2. Akt, Duca - aus: Rigoletto) | 00:05:09 |
Jules Massenet | ||
11 | Instant charmant ... En fermant les yeux (aus: Manon) | 00:03:41 |
Gaetano Donizetti | ||
13 | Tombe degli avi miei… Fra poco a me ricovero (3. Akt, Edgardo - aus: Lucia di Lammermoor) | 00:07:48 |
Charles Gounod | ||
15 | Quel trouble inconnu - Salut! demeure chaste et pure (3. Akt: Faust; aus: Faust) | 00:05:45 |
Giuseppe Verdi | ||
17 | Oh! fede negar potessi ... Quando le sere al placido (aus: Luisa Miller) | 00:05:39 |
Benjamin Godard | ||
19 | Ah! de tous mes espoirs ... Tout est fini pour moi sur la terre (Arie (Dante)) | 00:03:41 |
Hector Berlioz | ||
21 | Nature immense, impénétrable et fière (aus: La Damnation de Faust) | 00:04:33 |
Giacomo Puccini | ||
22 | Che gelida manina (1. Bild, Rodolfo - aus: La Bohème) | 00:04:49 |
Interpreten der Einspielung
- Benjamin Bernheim (Tenor)
- The Prague Philharmonia (Orchester)
- Emmanuel Villaume (Dirigent)