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Besprechung CD

Georg Anton Kreusser

Der Tod Jesu

Rondeau ROP6252

1 CD • 79min • 2023

23.04.2024

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 8
Klangqualität:
Klangqualität: 8
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 8

Karl Wilhelm Ramlers für Carl Heinrich Graun im Jahre 1754 geschriebener Kantatentext Der Tod Jesu wurde kurz vor der Uraufführung der Graunschen Komposition 1755 von Georg Philipp Telemann komponiert und in dieser Form bereits eine Woche vor der Berliner Aufführung in Hamburg präsentiert. Offensichtlich ein Wettstreit der beiden befreundeten Komponisten. Der zweitjüngste Bach-Sohn, Johann Christoph Friedrich, vertonte den Text 1769. Schließlich zog der kurzmainzische erzbischöfliche Konzertmeister Georg Anton Kreusser (1746-1810) im Jahre 1783 nach und veröffentlichte seine Version bei Schott in Mainz. Dieser haben sich die Mainzer Domkantorei St. Martin und das Domorchester unter der Leitung von Karsten Storck in einem Konzert angenommen, das jetzt als Live-Mitschnitt veröffentlicht wurde.

Ein Oratorium für den Konzertsaal

Kreusser, der sich im Vorwort zunächst über die wenigen Subskribenten beschwert, legte seine Vertonung bewusst als – quasi ökumenisches – Werk für den Konzertsaal an und lässt die auf die protestantische Sphäre verweisenden (Gemeinde)-Choräle deshalb fort. Er verzichtet auf barockisierende Kontrapunktik, wie sie bei Graun noch auffindbar ist. So heißt es im Vorwort: „Über die Ausgabe selbst habe ich nichts zu sagen, als dass ich die Koräle wegliese, und alles Fuggieren vermiede, theils um aller Ähnlichkeiten mit der Graunischen Komposition auszuweichen, theils auch weil sich diese Musik-arten besser in die Kirche schicken, als in Säle, wo doch die meisten Oratorien aufgeführt werden.“

Seine Instrumentation ist mit 2 Hörnern, je 2 Oboen und Fagotten, Streichern und Continuo farbärmer als die Telemanns und Grauns. Da die Stars der italienischen Oper – beispielsweise Gaspare Pacchierotti, der mit Farinelli und Velluti verglichen wurde – gern in Mainz Station machten, sind die solistischen Anforderungen beträchtlich.

Ramlers Text engt den Komponisten dahingehend ein, dass er die Dramatik in die Rezitative verlegt und die Arien explizit als barocke Doppelaffekt-Da Capo-Form vorschreibt. Den barocken Sängern war es recht, konnten sie doch so ihre Kreativität in „willkürlichen Veränderungen“ demonstrieren. Um 1780 wirkt es, wenn es auf alle Arien verwendet wird, allerdings schon etwas aus der Zeit gefallen, wenngleich Mozart in der Konstanze- oder Gräfinnen-Arie gelegentlich gern auf diese Form der Opera seria zurückgriff.

Insgesamt weist Kreussers Tod Jesu in den Rezitativen durchaus spannende Effekte auf, die jedoch von Telemann mit seiner flexiblen Behandlung von Secco, Accompagnato und Arioso übertroffen werden. Die Arien sind gefällig, aber in ihrem Verlauf vorhersehbar. Auch hier sind Telemann (Instrumentation und Abwechslung von Klangfarben) und Graun (Espressivo) weit überlegen. Ich mag den Begriff „Kleinmeister der Vorklassik“ nicht sonderlich, hier könnte er jedoch zutreffen.

Ungünstige Akustik

Der gewaltige Mainzer Dom mit seiner romanischen Überakustik ist sicherlich nicht der Ort, an dem detailreich-filigrane Musik des spätgalanten Stils optimal wirken kann. Das macht es schwer, über die Interpretation zu urteilen. Die Solisten können sich ein dichtes Legato und virtuose Extempores überhaupt nicht erlauben, da dieses sofort verschwimmen würden. Die Bassgruppe deckt die zierlichen Streicherfiguren zu. Hallfahnen vorangegangener Fortissimi wabern oft noch ein wenig durch den Raum und verunklaren Übergänge. Dies entspricht keinesfalls den Intentionen des Komponisten, der das Werk eher für eine Saalakustik mit moderatem Nachhall konzipierte.

Die Aufnahmetechnik versucht diesem Problem entgegen zu wirken, indem sie die Solisten sehr direkt einfängt, die ihre Koloraturen jedoch – wie oben angemerkt – überartikulieren müssen. Das Booklet ist sehr informativ. Es kann jedoch bei Interesse durch den hochinteressanten Aufsatz über Kreusser von Erich Staab in Band 13 der Mitteilungen des Stadtarchivs Aschaffenburg ergänzt werden,

Fazit: Hübsches, durchaus gefälliges Werk mittlerer Art und Güte, das in Einzelmomenten zu interessieren weiß, jedoch an die Spitzenleistungen der Zeit nicht heranreicht und leider am falschen Ort eingespielt wurde. Somit eher von lokalhistorischem Interesse.

Thomas Baack [23.04.2024]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Georg Anton Kreusser
1Der Tod Jesu (Eine geistliche Kantate) 01:19:21

Interpreten der Einspielung

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