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Besprechung CD

Mendelssohn

Streichquartett Nr. 2 und 6 & Lieder ohne Worte
Goldmund Quartet

Berlin Classics 0303434BC

1 CD • 64min • [P] 2025

23.03.2025

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 9
Klangqualität:
Klangqualität: 10
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 7

Es ist schwer, bei kritischer Betrachtung diesem Album gerecht zu werden. Zwei der großartigsten Quartette Felix Mendelssohn Bartholdys (das offizielle Zweite in a-moll op. 13 und das nach dem Tod seiner Schwester Fanny entstandene letzte in f-moll op. 80), durchbrochen von einem dreifachen Intermezzo in Form von drei sehr populären Hits aus den ‚Liedern ohne Worte‘ (sehr ansprechend in Quartettsatz gebracht von Jakob Encke), bilden ein exzellentes Programm. Das Goldmund-Quartett zählt definitiv zu den besten deutschen Ensembles und ist durchweg hochkarätig besetzt. Da fehlt es an nichts, was das spieltechnische und klangliche Potenzial betrifft.

Problematisch sind, wie bei den meisten derzeitigen Spitzen-Quartetten, die ideologischen Weichenstellungen, die ursächlich mit dem Potenzdemonstrationswahn der Wettbewerbs-Unkultur zu tun haben: Wer schnelle Sätze nicht ‚auf der Stuhlkante‘ darbietet, also möglichst so schnell wie möglich abliefert, gewinnt keine Preise, folglich keine Gratis-Tourneen und keine schlagkräftige Agentur. Also wird „geheizt, was das Zeug hält“. Davon sind die Goldmunds leider anscheinend quasi im Erbgut infiziert. Sie realisieren die verschiedenen Nuancen von Allegro-Charakteren (Allegro vivace, Allegro di molto, Allegro vivace assai, Allegro assai und Allegro molto) eigentlich prinzipiell im Presto-Bereich, und oft genug wird Prestissimo (also das Schnellste, was technisch-klanglich möglich ist) daraus.

Kein totes Pianissimo

Dynamisch ist das Goldmund-Quartett grundsätzlich sehr flexibel und bemüht sich um die genaue Umsetzung der Vorgaben Mendelssohns, was im lauten Bereich kontinuierlicher gelingt als im leisen, wo es dann doch oft genug mehr nach oben ausschlägt als der geschlossenen Darbietung zuträglich. Hier ist auch manche Eins mehr betont, als der gesanglichen Linie gut tut. Allerdings ist sehr erfreulich, dass es in den Goldmund-Darbietungen nicht jenes tote Pianissimo gibt, mit welchem manche Ensembles demonstrieren wollen, zu welchen atemberaubenden Extremen sie in der Lage sind.

Unnötiger Verlust des Momentum

In meinem Ermessen problematisch ist in vielen Fällen, dass kein eindeutiges Grundtempo hergestellt wird, welches dann für einen ganzen Satz gilt, wenn der Komponist keine Veränderung desselben vorschreibt. Auf diese Weise geht das Gefühl für die große Form verloren, es entstehen zwar kleinteilige Zusammenhänge, jedoch nicht die organische Form als Ganzes. Oftmals sind auch freie Tempoveränderungen – überwiegend in jenen Sätzen, die eine Spur zu zügig genommen werden oder auch mehr als das – das Spannungskontinuum störend! Dies bedeutet keinesfalls, dass Mendelssohn in mechanisch gleichbleibender Geschwindigkeit absolviert werden sollte, im Gegenteil sind wie schon bei Mozart subtile Rubato-Elemente hochwillkommen und dienen dem spezifischen Ausdruck. Doch wenn das Maß des klar Pulsierenden überschritten wird, kommt es – zum Beispiel im Finale von Opus 80 – zu unnötigem Schwungverlust und was eigentlich unwiderstehlich aufs Ende zutreiben müsste gerät erklärungsbedürftig. Es würde mich sehr interessieren, wie die Musiker das auf rein musikalischer Ebene rechtfertigen.

Dilettantische Booklet-Präsentation

Alles bisher Ausgesagte spielt sich auf einem hohen Niveau ab. Was ich vermisse, werden viele andere, die den heutigen Spitzenstandard gewöhnt sind, nicht vermissen. Was jedoch ein für jedermann offensichtliches Manko ist, ist die lieblose Präsentation der Inhalte im Booklet. Ob man die Musiker zu Poser-Fotos überredet hat, finde ich dabei nicht ausschlaggebend. Dass man die Dauern der einzelnen Sätze anzugeben vergessen hat, verwundert zwar bei einer Rundfunk-Produktion, ist jedoch auch nicht so wichtig. Doch der nicht namentlich gezeichnete Einführungstext ist an ahnungsloser Dürftigkeit kaum zu überbieten, und die Eloge über das Quartett auf dem Niveau eines Werbeflyers.

‚Lieder ohne Worte‘ als Highlight

Das Erfreulichste sei abschließend gepriesen: die drei ‚Lieder ohne Worte‘ werden sehr empfindsam und ohne Hast dargeboten und sind geeignet, als Zugaben auch im Konzertsaal öfter gespielt zu werden. Von dieser natürlichen Einfachheit und gemütvollen Makellosigkeit der Darbietung hätten auch die zwei großen Quartette profitiert! Denn diese so eigenwilligen und extrem kunstreichen Werke – ein a-moll-Quartett mit zyklischem Rahmen von A-Dur-Prolog und -Epilog, und ein echtes tragisches f-moll-Quartett mit einem an Beethoven anknüpfenden, überirdisch gehaltvollen Adagio an dritter Stelle – hätten hier ja auch endlich einmal eine ihrem wahren Wert wirklich angemessene Aufführung erfahren können. Denn, dies sei entlastend hervorgehoben, ich wüsste derzeit kein Quartett, dass uns schon dieses Geschenk gemacht hätte.

Christoph Schlüren [23.03.2025]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Felix Mendelssohn Bartholdy
1Streichquartett Nr. 2 a-Moll op. 13
5Lied ohne Worte A-Dur op. 62 Nr. 6 (Frühlingslied)
6Lied ohne Worte Nr. 6 g-Moll op. 19b (Venezianisches Gondellied)
7Lied ohne Worte e-Moll op. 62 Nr. 3 (Trauermarsch)
8Streichquartett Nr. 6 f-Moll op. 80

Interpreten der Einspielung

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