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Besprechung CD

On A Ground

Michala Petri Recorder • Marie Nishiyama Baroque Harp

OUR Recordings 8.226927

1 CD • 76min • 2019

09.07.2025

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 9
Klangqualität:
Klangqualität: 9
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

Michala Petri gehört nicht nur zu den profiliertesten Blockflötisten unserer Zeit, sondern sie ist vielmehr eine der Musikerpersönlichkeiten, die auf mannigfaltige Weise Wirkung entfalten, sei es als Inspirationsfigur für neues Repertoire oder als Mitgründerin eines eigenen, sehr beachtenswerten CD-Labels, genannt OUR Recordings. Auf der vorliegenden Neuerscheinung ebendieses Labels ist Petri selbst an der Blockflöte zu erleben; gemeinsam mit Marie Nishiyama an der Barockharfe präsentiert sie ein buntes Programm, dessen Repertoire von 1553 bis 2019 reicht.

Verzierungen über einem Grundbass

In der englischen Musik des 16. und 17. Jahrhunderts versteht man unter dem Terminus „Divisions on a Ground“ grob gesagt Verzierungen (also Divisions), Varianten, Variationen über einem ostinaten Grundbass (on a Ground). Ohne auf Einzelheiten einzugehen und weitere Differenzierungen vorzunehmen, entspricht dies also dem den meisten Hörern sicherlich vertrauteren Formen von Passacaglia und Chaconne. Hierauf bezieht sich der Titel der CD On a Ground, und ebensolchen Variationswerken ist auch der erste Teil dieses (weitgehend zweigeteilten) Albums gewidmet. Tracks 2 bis 4 entstammen etwa der Publikation The Division Flute von 1706/08, welche – siehe IMSLP – gleich zu Beginn mit einem regelrechten Register an solchen Grounds aufwartet und anschließend die Divisions darüber vorstellt, darunter übrigens auch das so bekannte Greensleeves to a ground. Bereits im Jahre 1553 hat der Spanier Diego Ortiz in Rom seinen Trattado de Glosas publiziert, eine Verzierungslehre (in der Tat: das spanische Glosas entspricht dem englischen Divisions), eigentlich für Gambe, aber ohne größere Probleme auf eine Vielzahl anderer Instrumente adaptierbar. Speziell der zweite Band dieses Lehrwerks enthält etliche sogenannte Recercadas, Variationen über populäre Grundbässe (wie La Folia). Bei den acht Recercadas, die Petri und Nishiyama auf diesem Album präsentieren, handelt es sich um diejenigen, die am Ende des Bands zu finden sind, oft auch referenziert als Recercadas sobre tenores italianos.

Geschmackvoll dosierter Facettenreichtum

Petri und Nishiyama spielen diese Musik mit großer Souveränität und Sinn für ihren natürlichen Fluss, verleihen ihr Charakter, entlocken ihr Facetten. Selbstredend und gewiss völlig im Sinne dieser Musik nehmen sich die beiden Interpretinnen dabei ihre Freiheiten bei der Auslegung des Notentexts, setzen eigene Akzente, etwa (natürlich) durch Verzierungen, aber auch leichte Restrukturierungen, stets jedoch ungemein geschmackvoll und wohldosiert. Es sei übrigens angemerkt, dass der Klang der Barockharfe deutlich näher an Laute oder auch Gitarre angesiedelt ist an derjenige der modernen Harfe an dem der modernen Gitarre.

Ruhiger, dezenter Tonfall

Die zweite Hälfte des Programms ist bunter gemischt, obwohl ein ruhiger, dezenter Tonfall allen Werken gemein ist. Die Ground-Struktur wird in zweien der Werke von Michala Petris langjährigem musikalischen Partner und zeitweiligem Ehemann Lars Hannibal (Jg. 1951) noch einmal explizit aufgegriffen. Da Twilight on a ground sowie Waves on a ground aus dem Jahre 2019 stammen, dem Jahr also, in welchem auch das vorliegende Album eingespielt wurden, darf man vielleicht davon ausgehen, dass sie speziell für dieses Programm komponiert wurden, andererseits sind sie musikalisch auch von den beiden Werken Hannibals aus den 1980ern (Dreams und Sunset Dance) nicht weit entfernt. Ein Bezug zu Erik Saties Trois Gymnopédies, ebenfalls hier eingespielt (irritierenderweise mit einigen kleineren Veränderungen in der Harmonik), ist gerade im Falle der Dreams tatsächlich nicht abwegig. Neben Glucks Reigen seliger Geister und Melodie liegt ein weiterer kleiner Schwerpunkt des Programms auf Bach, auch in Arrangements, etwa durch Gounod und sein Ave Maria oder aber in Form des Mittelsatzes von Alessandro Marcellos Oboenkonzert, denn was hier für Blockflöte und Barockharfe eingerichtet wurde, ist genau genommen Bachs Adaption davon (BWV 974).

Unterhaltung und Inspiration

Man kann sich von dieser CD angenehm (und gekonnt) unterhalten lassen, man kann sich von ihr inspirieren lassen und etwa in den (ja per Internet ohne Weiteres zugänglichen) alten Manuskripten stöbern und überlegen, ob man nicht das eine oder andere selbst einmal ausprobieren möchte – so oder so ist es insgesamt ganz einfach ein schönes Album. Gestützt wird all dies durch eine sehr gute Klangqualität und einen mit leichter Feder geschriebenen, aber fokussierten Begleittext von Joshua Cheek.

Holger Sambale [09.07.2025]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Robert Carr
1An Italian Ground 00:02:55
Anon.
2Tollet's Ground 00:03:11
Michel Farinel
3Faronells Ground (Folia) 00:05:06
Anon.
4Greensleeves on a Ground (1706) 00:04:37
Diego Ortiz
5Ricercada Primera 00:01:56
6Ricercada Segunda 00:01:35
7Ricercada Tercera 00:01:59
8Ricercada Quarta 00:02:06
9Ricercada Quinta 00:02:16
10Ricercada Sesta 00:02:01
11Ricercada Settima 00:01:59
12Ricercada Ottava 00:03:03
Alessandro Marcello
13Concerto für Oboe (Adagio) 00:04:07
Johann Sebastian Bach
14Cembalokonzert BWV 1056, 2. Satz Largo 00:02:49
Lars Hannibal
15Dreams 00:03:13
16Sunset Dance 00:05:12
17Twilight on a Ground 00:03:35
18Waves on a Ground 00:04:33
Erik Satie
19Gymnopédie Nr. 1 00:02:53
20Gymnopédie Nr. 2 00:02:12
21Gymnopédie Nr. 3 00:02:04
Christoph Willibald Gluck
22Reigen seliger Geister (aus: Orpheus und Eurydike) 00:07:11
Johann Sebastian Bach
23Präludium Nr. 1 C-Dur BWV 846 (aus: Das Wohltemperierte Klavier Buch ) 00:02:38
24Ave Maria 00:02:57

Interpreten der Einspielung

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