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Besprechung CD

Alberto Ginastera • Maurice Ravel

Minguet Quartett

cpo 555 633-2

8 CD • 69min • 2019, 2022, 2024

15.12.2025

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 9
Klangqualität:
Klangqualität: 9
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

In der recht stattlichen Diskographie des Minguet Quartetts lassen sich zwei grundsätzliche Schwerpunkte ausmachen: zeitgenössische Musik auf der einen Seite (für Labels wie Wergo, Neos und col legno) und (spät-) romantisches Repertoire auf der anderen (ganz besonders für cpo, aber auch MDG, Tacet und CAvi); wenigstens diskographisch dominieren dabei eindeutig Komponisten aus dem deutschen Sprachraum. Insofern begibt sich das Quartett mit dem vorliegenden Album in gewisser Hinsicht auf neues Terrain, wenn es diesmal für cpo um den großen argentinischen Komponisten Alberto Ginastera (1916–1983) geht, ergänzt um Maurice Ravels F-Dur-Quartett.

Zwischen objektivem und subjektivem Folklorismus

Die beiden Werke Ginasteras bilden dabei den Rahmen der CD, beginnend mit seinem Streichquartett Nr. 1 op. 20 (1948). Ginastera selbst unterteilte sein Schaffen (chronologisch) in die Perioden „objektiver Nationalismus“ (bzw. Folklorismus), „subjektiver Nationalismus“ (unter Verwendung einer „imaginären Folklore“) und „Neo-Expressionismus“; für sein spätes Schaffen sollte man wohl noch eine Art Synthese dieser Stilrichtungen ergänzen. Das Erste Streichquartett steht zwischen den beiden ersten Perioden, noch gespeist aus argentinischer Folklore, die aber auf eine persönliche, individuelle Art transformiert und verfremdet wird. Die robuste, durchaus brüske Manier der drei schnellen Sätze (mit Vortragsanweisungen wie violento ed agitato bzw. rustico), die stampfende Rhythmik und die kräftigen Dissonanzen dieser Musik geschehen hier noch vor einer tonalen Basis – in der Tat könnte man mit Fug und Recht von einem Quartett in d-moll sprechen. Natürlich legen die häufigen Pizzicati in den Sätzen 2 und 4 Assoziationen zu den Klängen der Gitarre nahe; interessant ist in diesem Zusammenhang aber auch, dass der sechstönige Akkord, mit dem die übrigen drei Instrumente die Klage der ersten Violine am Beginn des langsamen Satzes, einer Art Nachtstück, begleiten, exakt mit den Saiten der Gitarre korrespondiert.

Grelle Aggressivität und der Übergang zum nicht (mehr) Hörbaren

1963 und somit 15 Jahre später entstanden, gehört das Klavierquintett op. 29 dann zu Ginasteras „neo-expressionistischer“ Periode. Im Unterschied zum diskographisch noch relativ ordentlich vertretenen Streichquartett ist dieses Werk bislang nur spärlich auf Tonträger erfasst gewesen, offenbar handelt es sich hier tatsächlich erst um seine dritte kommerziell erhältliche Einspielung (inklusive der LP-Ära). Ein Werk in sieben kurzen Sätzen, wobei die vier Hauptsätze durch drei Kadenzen (zwei Streicherduette und schließlich ein Klaviersolo) unterbrochen werden und die ersten drei und die letzten vier Sätze jeweils einen ununterbrochen zu spielenden „Block“ bilden, getrennt von einer zehnsekündigen Pause. Die Tonsprache des Quintetts ist im Vergleich zum Quartett noch einmal wesentlich geschärft, nun ohne tonale Bezüge und sehr häufig zwischen zwei Polen: auf der einen Seite grelle Aggressivität im dreifachen Forte tutta la forza, auf der anderen Seite vierfaches Piano bis hin zum niente. Nichtsdestoweniger zeigt die Kopplung beider Werke auf dieser CD auf, wie sich eine ganze Reihe dieser Charakteristika in Ginasteras Stil im Laufe der Jahre entwickelt haben, also schon im früheren Quartett vorhanden sind und hier nur eben vielleicht deutlicher ausgeprägt sind, vor allem aber in anderem Gewand erscheinen.

Vorzügliche Interpretation des Klavierquintetts

Die beiden Werke gelingen dem Minguet Quartett recht unterschiedlich. Ein wenig scheint das Quartett mit dem Quasi-Folklorismus des Ersten Streichquartetts zu fremdeln; dass die Musiker im 1. und vor allem 2. Satz unter Ginasteras Metronomangaben bleiben, ist dabei eher Indiz als wirklich zentral, aber gerade das Scherzo wirkt insgesamt ein wenig dröge. Hier ließe die Musik Raum für wesentlich mehr Temperament und Nuancen des Grotesken, der Zwischen- und Untertöne. Wesentlich mehr liegt dem Quartett, nun unterstützt durch Michael Korstick, der explizite Modernismus des Klavierquintetts, exemplarisch zu beobachten einmal mehr speziell im pointillistisch huschenden Scherzo mit seinem surrealistischen Glitzern oder dem rabiaten Spannungsbogen, den die Musiker in den letzten beiden Sätzen vorzüglich realisieren.

Sehr gute Lesart von Ravels Streichquartett

Ergänzt wird dieses eher selten zu hörende Repertoire durch Ravels Streichquartett F-Dur (1902/03), einen Klassiker der Quartettliteratur also. Die Lesart des Minguet Quartetts ist insgesamt hochklassig, eher geradlinig als schwelgerisch, im Finale mit beträchtlichem Enthusiasmus. Eine auch klanglich überzeugende Produktion, die allein schon angesichts des Einsatzes für Ginasteras Klavierquintett zu empfehlen ist.

Holger Sambale [15.12.2025]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Alberto Ginastera
1Streichquartett Nr. 1 op. 20 00:21:00
Maurice Ravel
5Streichquartett F-Dur op. 35 00:28:36
Alberto Ginastera
9Klavierquintett op. 29 00:18:51

Interpreten der Einspielung

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