Oskar C. Posa
Lieder • Violin Sonata • String Quartet
voilà! V001
2 CD • 2h 26min • 2023
14.12.2025
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Klassik Heute
Empfehlung
Leser von KLASSIK HEUTE sind es mittlerweile gewöhnt, immer wieder mit Komponisten und Komponistinnen konfrontiert zu werden, von denen sie vorher noch nicht einmal den Namen kannten. Doch der Fall des zu seiner Zeit hochgeschätzten Österreichers Oskar C. Posa ist wahrscheinlich singulär. Gründlicher wurde wohl kein Künstler aus dem Gedächtnis der Nachwelt ausgelöscht als er, wofür es keine Erklärung gibt, noch nicht einmal seine jüdische Herkunft. In einem fast schon titanischen Kraftakt hat nun der französische Musikwissenschaftler Olivier Lalane nach diesem Komponisten geforscht und einen beträchtlichen Teil seiner Werke der Öffentlichkeit wieder zugänglich gemacht. Durch engagierte und kompetente Interpreten werden diese Ausgrabungen zu einer gloriosen Wiedergutmachung.
Unterbrochene Karriere
Seine Biographie ist nur rudimentär bekannt. Posa, der eigentlich Oskar Carl Posamentir hieß, wurde 1873 in Wien geboren, wo er sich nach einem abgebrochenen Jura-Studium ganz der Musik zuwandte und am Konservatorium Klavier und Komposition belegte. Seine ersten Werke wurden 1898 veröffentlicht. 1904 gründete er gemeinsam mit Arnold Schönberg und Alexander Zemlinsky die „Vereinigung schaffender Tonkünstler in Wien“, die eng mit den Ideen der „Wiener Secession“ um Gustav Klimt verknüpft war. Aus Gründen des Broterwerbs begann er neben der kompositorischen Arbeit eine Laufbahn als Dirigent und wurde in dieser Funktion 1911 Musikalischer Direktor der Grazer Oper, wo unter seiner Ägide der junge Karl Böhm als Korrepetitor tätig war. 1922 übernahm er die Leitung der Oper im nordböhmischen Aussig (heute Ústí nad Labem). Zwei Jahre später wechselte er zu pädagogischer Tätigkeit am Grazer Konservatorium, war danach am Wiener Konservatorium tätig, bis die Nationalsozialisten ihn 1938 mit Berufsverbot belegten. Wie er die folgenden Jahre überleben konnte, ist nicht bekannt. Nach dem Krieg nahm er seine kompositorische Arbeit wieder auf, war da aber bereits vergessen und wurde nicht mehr gedruckt. 1951 ist er verarmt in Wien gestorben.
Eigenständige Klangsprache
An die 80 Lieder hat Posa komponiert, 24 davon sind in dieses Doppelalbum aufgenommen worden, alle zwischen 1897 und 1911 veröffentlicht. Die zugrunde liegenden Gedichte stammen von Autoren, die mehr oder weniger Zeitgenossen von Posa waren – von Ricarda Huch bis Theodor Storm, vom damals viel vertonten Richard Dehmel und in der Mehrzahl von Detlev von Liliencron. Schon in seinem Opus 1 (Vier Lieder nach Gedichten von Ricarda Huch) sind die stilistischen Eigenarten Posas ausgeprägt. Zunächst eine starke Ausgestaltung des Klavierparts, der den Sänger stützt und zugleich fordert und in Zwischen- und (oft längeren) Nachspielen Stimmungen aufbaut. Ein theatralisches Temperament bricht bereits in diesem kleinen Zyklus, in dem es vor allem um Heimweh-Gefühle geht, immer wieder hervor. Geprägt zwar von Brahms und der Spätromantik, entwickelt Posa hier eine eigenständige Klangsprache und kann neben den berühmten Zeitgenossen (Wolf, Mahler, Strauss) durchaus bestehen.
Kein Lied wie das andere
Die fünf Soldatenlieder op. 8 nach Gedichten Detlev von Liliencrons (1902), der selbst als Soldat an mehreren Kriegen teilgenommen hat, fordern Vergleiche mit einigen militärischen Wunderhorn-Liedern Gustav Mahlers geradezu heraus. Der Krieg wird hier keineswegs verherrlicht. Der Ausruf „Hoch Kaiser und Heer“ in Mit Trommeln und Pfeifen bekommt aus dem Munde eines Kriegskrüppels eine makaber-sarkastische Note. Posas dramatisches Vermögen kulminiert in Liedern wie Die gelbe Blume Eifersucht (op. 6/5) und Unwetter (op. 10/3), sein musikalischer Humor in Irmelin Rose (op. 2/4, nach Jens Peter Jacobsen) und Der Handkuss (op. 3/5). Kein Lied klingt bei Posa wie das andere, für jede lyrische Stimmung findet er einen eigenen Ton. Das berechtigt zu der Hoffnung, dass seine Lieder nach Bekanntwerden dieses Albums eine Renaissance in den Konzertsälen erfahren werden. Der Bariton Edwin Fardini und die Pianistin Juliette Journaux sind hier eloquente Anwälte des Komponisten, die seiner Vielseitigkeit mit intensivem und variablem Ausdruck gerecht werden.
Zweikampf der Instrumente
Von den kammermusikalischen Werken, die auf der 1. CD des Albums dokumentiert sind, verdient die Edvard Grieg gewidmete Sonate für Violine und Klavier op. 7 (1901) besondere Beachtung. Zwar fiel sie bei der Uraufführung in Heidelberg durch, erlebte dann im Jahr darauf in Amsterdam aber eine glanzvolle Rehabilitation, was wohl auch auf die perfekte Umsetzung des technisch hochkomplizierten Stücks durch den Pianisten Julius Röntgen und den Geiger Bram Eldering zurückzuführen war. Das ungebärdige jugendliche Temperament, das die ganze Komposition prägt, reißt den Hörer gleich in einen Klangstrudel, der nur gelegentlich durch lyrische Inseln (dolce ed espressivo) aufgehalten wird. Die beiden Klangkörper Geige und Klavier befinden sich fast durchgehend in enger Umklammerung, man denkt an einen Zweikampf, der keinen Sieger kennt. Die fulminante Wiedergabe durch Juliette Journaux und die Geigerin Eva Zavora lädt zum mehrmaligen Hören ein.
Editorische Glanzleistung
Fast ein halbes Jahrhundert später (1948) hat Posa das Streichquartett op. 18 geschrieben, das aber – der Entstehungszeit zum Trotz – wie eine nostalgische Reminiszenz an das alte Wien des Fin de Siècle klingt. Das Quatuor Métamorphoses führt es einfühlsam und mit klanglicher Delikatesse aus. Das 260 Seiten starke Programmbuch, das in französischer und englischer Sprache den Werdegang des Komponisten beschreibt und die vorgestellten Werke ausführlich analysiert, ist eine editorische Glanzleistung. Es enthält des Weiteren die deutschen Liedtexte auch in englischer und französischer Übersetzung. Diese Wiederentdeckung eines quasi verschollenen Meisters verdient einen ersten Platz unter den Veröffentlichungen dieses Jahres.
Ekkehard Pluta [14.12.2025]
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Komponisten und Werke der Einspielung
| Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
|---|---|---|
| CD/SACD 1 | ||
| Oskar C. Posa | ||
| 1 | Albumblatt | 00:05:05 |
| 2 | Sonate op. 7 für Violine und Klavier | 00:27:08 |
| 5 | Andante d-Moll für Violoncello und Klavier | 00:06:40 |
| 6 | Streichquartett F-Dur op. 18 | 00:35:17 |
| CD/SACD 2 | ||
| 1 | Heimweh op. 1 Nr. 1 (aus Vier Lieder op. 1 auf Gedichte von Ricarda Huch) | 00:03:53 |
| 2 | Heimkehr op. 1 Nr. 2 | 00:03:58 |
| 3 | Du op. 1 Nr. 3 | 00:01:27 |
| 4 | Ende op. 1 Nr. 4 | 00:03:15 |
| 5 | Das Blatt im Buche op. 2 Nr. 2 | 00:02:25 |
| 6 | Irmelin Rose op. 2 Nr. 4 | 00:04:22 |
| 7 | Du hast mich aber lange warten lassen op. 3 Nr. 1 (aus Fünf Lieder op. 3 auf Gedichte von Detlev von Liliencron) | 00:01:58 |
| 8 | Tiefe Sehnsucht op. 3 Nr. 2 | 00:01:56 |
| 9 | Goldammer op. 3 Nr. 3 | 00:02:09 |
| 10 | In einer großen Stadt op. 3 Nr. 4 | 00:03:45 |
| 11 | Der Handkuss op. 3 Nr. 5 | 00:03:59 |
| 12 | Menschenthorheit op. 4 Nr. 1 (aus Vier Lieder op. 4 auf Gedichte von Richard Dehmel) | 00:02:14 |
| 13 | Sehnsucht op. 4 Nr. 2 | 00:01:39 |
| 14 | Beschwichtigung op. 4 Nr. 4 | 00:04:54 |
| 15 | Und ich war fern op. 6 Nr. 3 (aus Fünf Lieder op. 6 nach Gedichten von Detlev von Liliencron) | 00:05:34 |
| 16 | Die gelbe Blume Eifersucht op. 6 Nr. 5 | 00:02:43 |
| 17 | Tod in Ähren op. 8 Nr. 1 (aus Soldatenlieder op. 8 nach Gedichten von Detlev von Liliencron) | 00:03:57 |
| 18 | Kleine Ballade op. 8 Nr. 2 | 00:01:38 |
| 19 | Erwartung op. 8 Nr. 3 | 00:03:10 |
| 20 | In Erinnerung op. 8 Nr. 4 | 00:03:42 |
| 21 | Mit Trommeln und Pfeifen op. 8 Nr. 5 | 00:02:01 |
| 22 | Unwetter op. 10 Nr. 3 (aus Vier Lieder op. 10 nach Gedichten von Detlev von Liliencron) | 00:03:23 |
| 23 | Schließe mir die Augen beide op. 11 Nr. 2 (aus Acht Lieder nach Gedichten von Theodor Storm) | 00:01:01 |
| 24 | Mondlicht op. 12 Nr. 1 (aus Fünf Lieder nach Gedichten von Theodor Storm) | 00:03:08 |
Interpreten der Einspielung
- Edwin Fardini (Bariton)
- Juliette Journaux (Klavier)
- Eva Zavaro (Violine)
- Simon Dechambre (Violoncello)
- Quatuor Métamorphoses (Streichquartett)
