Johann Nepomuk David
Symphonies 3 & 7
ORF Radio-Symphonieorchester Wien, Johannes Wildner
cpo 777 964-2
1 CD • 63min • 2014
22.12.2025
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Gesamteindruck:![]()
Klassik Heute
Empfehlung
Zwar ist der österreichische Komponist Johann Nepomuk David (1895–1977) nie völlig vergessen gewesen: viele seiner Werke wurden zu seinen Lebzeiten für den Rundfunk aufgenommen, einiges seiner Orgel- und Chormusik ist auf Tonträger eingespielt worden, und als Lehrer etlicher Komponisten aus dem deutschsprachigen Raum fällt sein Name ohnehin immer wieder. Auch etwa im Harenberg Konzertführer, erschienen 1996, erfährt David eine Würdigung nebst Vorstellung ausgewählter Werke, so etwa seiner acht Sinfonien – keine Selbstverständlichkeit angesichts einer Begrenzung auf 200 Komponisten. Umso erstaunlicher eigentlich, dass von diesen Sinfonien nur eine einzige jemals auf Tonträger erhältlich gewesen ist, bevor cpo vor nun auch schon wieder mehr als zehn Jahren die vorliegende, höchst verdienstvolle Serie begann, die – in langsamem Tempo fortschreitend – nun bei Folge 3 angelangt ist, diesmal mit den Sinfonien Nr. 3 & 7. Wie gewohnt leitet Johannes Wildner das ORF Radio-Symphonieorchester Wien.
Zwischen klassizistischer Heiterkeit und nervöser Unruhe
Gegenüber ihren beiden Vorgängerwerken, speziell der expansiven Zweiten, ist Davids Sinfonie Nr. 3 op. 28 (1939–41) in einem konziseren, zurückgenommeneren Idiom gehalten, jedenfalls ist bereits die Orchesterbesetzung kleiner (ohne tiefes Blech) und insgesamt durchsichtiger. Für den Komponisten selbst war seine Dritte die von der Melodik dominierte unter seinen Sinfonien, was freilich die für David so charakteristische intensive kontrapunktische Arbeit nicht ausschließt. Im Beiheft widerspricht Bernhard A. Kohl Davids eigener Beschreibung des 1. Satzes als „heiter“. Ich würde hier nur teilweise mitgehen, denn isoliert betrachtet gibt es in diesem Satz durchaus Elemente, die als klassizistisch-heiter, vielleicht sogar sinfoniettenhaft durchgehen würden. Der Gesamteindruck des Satzes freilich, die Art und Weise, wie David dieses Material verarbeitet, zu einigen klangmächtigen, auch konflikthaften Höhepunkten führt, ist in der Tat von Turbulenzen und einer gewissen nervösen Unruhe geprägt. Eher nachdenklich als elegisch das von erst einer, dann zwei unbegleiteten Flöten ausgehende Adagio, während das Scherzo durchaus spukhafte Töne anschlägt, erst recht, wenn der ursprünglich kraftvolle Schluss des Hauptteils am Ende in geisterhaften Flageoletts entschwindet. Zunächst in Moll gehalten, wirkt das Finale vor allem vorwärtsdrängend, entschlossen, geprägt von Motorik und seinem prägnanten Hauptmotiv. Dass David die gesamte Sinfonie eigentlich aus einem Ausschnitt der C-Dur-Tonleiter entwickelt, wird nirgend so deutlich wie in der knappen, strahlenden Apotheose ganz am Ende.
Davids spätes Schaffen
Zwar ist David sich in seinem späteren Schaffen prinzipiell treu geblieben, doch im Laufe der 1950er Jahre gibt es eine gewisse stilistische Wende, u.a. ausgelöst durch die Beschäftigung mit dem Œuvre Anton Weberns, partiell unter Einbeziehung von Reihen, etwas später dann auch „magischen Quadraten“. Davids Musik wird dadurch ein gutes Stück spröder, sperriger. Davon zeugt auch die Sinfonie Nr. 7 op. 49, entstanden 1956/57, hervorgegangen aus einem Trio für Violine, Flöte und Cello, obschon hier noch keine Reihen verwendet werden. Eine Musik, die von weiten Intervallen geprägt ist, die ihre kammermusikalischen Ursprünge auch als Sinfonie nicht verleugnet und klangliche Opulenz meidet, wobei das Schlagzeug für gewisse (allerdings isolierte) Farbtupfer sorgt. Kohl spricht zwar vom Grundton B, aber gerade der Kopfsatz ist über weitere Strecken nur schwer als tonal wahrzunehmen; es ist eigentlich vor allem der Schluss des Finales, der mit dem letzten Akkord B-Dur fast im Sinne eines Deus ex machina bestätigt (David entwickelte mit den Jahren ohnehin eine gewisse Vorliebe für unvermittelte Schlüsse). Die Variationen des Finales beschwören „verschiedenartige Typen von Musikstücken“ (R. Klein) auf eine eher abstrahierte, schemen- und schattenhafte Weise. Neu ist dergleichen in Davids Musik zwar nicht, wenn man sich an den 3. Satz der Sinfonie Nr. 6 bedenkt (Kontinuitäten lassen sich auch anhand des brucknerhaften derben Impetus des Scherzos feststellen), es erscheint hier aber mit wesentlich größerer Konsequenz als zuvor realisiert. Konstruktion und Architektur spielen in Davids Musik immer eine zentrale Rolle, zeichnen sie in all ihrer Kunstfertigkeit geradezu aus, aber völlig werde ich gerade angesichts der früheren Werke den Eindruck nicht los, dass sie im Spätwerk die Inspiration zuweilen doch etwas überlagern – eine gewisse Reserviertheit bleibt also, wohlgemerkt bei einem von mir grundsätzlich außerordentlich geschätzten Komponisten.
Vorzügliche Interpretationen
Insgesamt vorzüglich geraten die Interpretationen durch Wildner und sein Orchester; Davids polyphone Linien werden mit Sorgfalt nachvollzogen, die Spannungsbögen der Musik umsichtig aufgebaut, Zart-Introvertiertes ebenso fein realisiert wie die sehnige Expressivität der großen Steigerungen. Ist man mit Davids Musik bislang nicht vertraut, würde ich als Einstieg eher zu einer der beiden vorangegangenen Folgen raten, weil die dort vorgestellten Werke unmittelbarer fasslich sein dürften. Als Ganzes freilich kann die David-Edition von cpo jedem Musikfreund, der sich für Sinfonik des 20. Jahrhunderts interessiert, nur empfohlen werden, und so erwarte ich auch die Veröffentlichung ihrer vierten Folge mit echter Vorfreude.
Holger Sambale [22.12.2025]
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Komponisten und Werke der Einspielung
| Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
|---|---|---|
| CD/SACD 1 | ||
| Johann Nepomuk David | ||
| 1 | Sinfonie Nr. 3 op. 28 | 00:35:20 |
| 5 | Sinfonie Nr. 7 op. 49 | 00:27:12 |
Interpreten der Einspielung
- ORF Radio-Symphonieorchester Wien (Orchester)
- Johannes Wildner (Dirigent)
