Trio Karénine
Tchaikovsky
Mirare MIR784
1 CD • 74min • 2025
26.12.2025
Künstlerische Qualität:![]()
Klangqualität:![]()
Gesamteindruck:![]()
Klassik Heute
Empfehlung
2009 gegründet, hat sich das Pariser Trio Karénine mittlerweile nicht zuletzt durch eine Reihe ausgesprochen positiv besprochener CD-Einspielungen als hochkarätiges junges Ensemble etabliert. Namensgebend für das Trio ist natürlich Tolstois „Anna Karenina“, und insofern erscheint es nur zwangsläufig, dass sich die drei Musiker auf ihrem jüngsten Album nun auch musikalisch ins Russland des 19. Jahrhunderts begeben. Zentrum des Programms ist Tschaikowskis monumentales Klaviertrio a-moll op. 50 À la mémoire d’un grand artiste, umrahmt von zwei langsamen Sätzen aus Werken Tschaikowskis und Rimski-Korsakows.
Eminenter Sinn für Klangfarben
Den ersten Satz von Tschaikowskis Trio, Pezzo elegiaco überschrieben, versteht das Trio Karénine nicht unbedingt vorwiegend elegisch, sondern durchaus passioniert, mit Verve und Leidenschaft – eine glutvolle, schwärmerisch beseelte Lesart. Hier gelingt vieles exzellent: die flexible, feinfühlige Agogik, der Nuancenreichtum in der Artikulation (gerade angesichts des sinfonisch angelegten Klavierparts ist die Sorgfalt hervorzuheben, mit der Paloma Kouider etliche Details sehr differenziert zu realisieren versteht), die fließend gestalteten Übergänge zwischen zögerndem Innehalten und sanftem Überleiten in den nächsten Abschnitt. Die Fähigkeit der Musiker, in großen Bögen zu denken, zeigt sich exemplarisch bereits ganz am Beginn, wenn die ersten 140 Takten dem Trio Karénine wie aus einem Guss gelingen, um dann ganz bewusst in eine kurze Atempause zu münden. Die beiden Streicher dialogisieren und interagieren mustergültig miteinander, sodass die führende Stimme stets klar erkennbar ist und die Musik in einem steten melodischen Fluss bleibt. Wenn es etwas gibt, das man an dieser vorzüglichen Interpretation noch einmal besonders hervorheben sollte, dann ist es der eminente Sinn für Klangfarben des Trio Karénine. Ganz besonders kommt dies in der Variationenfolge des 2. Satzes zur Geltung. Eindrucksvoll die Delikatesse, mit der die Musiker Variationen wie die dritte, fünfte (mit glöckchenartigen Klavierklängen), den Walzer in Nr. 6 oder die sehnsuchtsvolle Melancholie von Nr. 9 zu inszenieren wissen. Vielleicht eine Spur zu verhalten der Schluss des Trios, den man sich noch existenzialistischer, fatalistischer vorstellen könnte – dies aber ist Kritik auf sehr hohem Niveau, und dem steht so vieles in dieser Interpretation gegenüber, das man sich gelungener kaum vorstellen könnte, noch dazu in erstklassiger, ausgesprochen räumlicher und präsenter Klangqualität.
Innig fließende Interpretation
Den Rahmen der CD bilden zwei langsame Sätze aus größeren Werken. Am Beginn steht der 3. Satz des Klaviertrios c-moll (nicht a-moll, wie fälschlicherweise in der Trackliste behauptet) von Nikolai Rimski-Korsakow, einem eigentlich reifen Werk aus dem Jahre 1897, das den Komponisten aber nicht recht zufriedenstellte und er deshalb für unvollendet erklärte (was fehlte, waren wohl eher die letzten Feinarbeiten, die dann posthum sein Schwiegersohn Maximilian Steinberg, bekanntlich selbst ein formidabler Komponist, vornahm). Etwas arg streng ist Rimski-Korsakow hier sicherlich doch mit sich gewesen, und das Trio Karénine ist im lyrisch-beseelten Espressivo, im aparten Klangzauber dieses Adagios mit seinen (sehr wohl unzweifelhaft Rimski-Korsakow’schen) blühenden Melodiebögen voll und ganz zu Hause, lässt ihm eine innig fließende Interpretation angedeihen.
Gelungene (Ab-) Rundung eines ausgezeichneten Albums
Das Album beschließt ein Arrangement des 2. Satzes aus Tschaikowskis Klavierkonzert Nr. 2 G-Dur op. 44, vorgenommen durch den Pianisten Jean-Claude Pennetier, der zu den Lehrern und Förderern des Trios Karénine zählt. Dies erscheint in doppelter Hinsicht sinnhaft: zum einen sieht dieser Satz bekanntlich ausgedehnte Solopartien für Violine und Violoncello vor, sodass er sich bereits a priori nahe an der Triobesetzung bewegt. Zum anderen ist der „grande artiste“, an den das große Klaviertrio erinnert, niemand anderes als Nikolai Rubinstein, dem auch das Zweite Klavierkonzert gewidmet ist und der es eigentlich hätte uraufführen sollen. Pennetiers Bearbeitung orientiert sich selbstredend entlang der originalen Solopartien und teilt darüber hinaus den Orchesterpart sinnvoll auf die Instrumente auf. Etwas größere Kompromisse sind vor allem am Schluss nötig. Ein insgesamt überzeugendes, wohlgeratenes Arrangement – dass die Zuspitzung im Mittelteil (nebst Tremoli) ihren orchestralen Ursprung nicht verhehlen kann, korrespondiert dabei mit der ebenfalls sinfonischen Faktur des Trios op. 50. So rundet sich ein ausgezeichnetes, höchst erfreuliches Album gelungen ab.
Holger Sambale [26.12.2025]
Anzeige
Komponisten und Werke der Einspielung
| Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
|---|---|---|
| CD/SACD 1 | ||
| Nikolai Rimsky-Korssakoff | ||
| 1 | Klaviertrio a-Moll | 00:09:03 |
| Peter Tschaikowsky | ||
| 2 | Klaviertrio op. 50 (À la mémoire d'un grand artiste) | 00:50:13 |
| 16 | Klavierkonzert Nr. 2 G-Dur op. 44 für Klaviertrio | 00:14:13 |
Interpreten der Einspielung
- Trio Karénine (Klaviertrio)
