George Antheil
Venus in Africa
cpo 777 450-2
1 CD • 57min • 2009
12.12.2024
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
In den „Roaring Twenties“ galt der aus Deutschland stammende amerikanische Pianist und Komponist George Antheil (1900-1959) in Europa und vor allem in Frankreich als Enfant terrible der Musikszene, nachdem sein Ballet mécanique (1926) für 8 Klaviere, Sirenen, Klingeln und einen Flugzeugpropeller einen lauten Skandal hervorgerufen hatte. Anerkannter Vertreter der musikalischen Avantgarde, fand er bei seiner Rückkehr nach Amerika kein vergleichbares Forum für seine Ambitionen und musste sein Geld als Filmkomponist und Journalist in Hollywood verdienen. Erst in den 50er Jahren nahm er seine Arbeit als „seriöser“ Komponist wieder auf, wobei er seine Erfahrungen aus früheren Schaffensperioden einbrachte. Seine einaktige Oper Venus in Africa, 1954 entstanden und drei Jahre später in Denver uraufgeführt, ist jetzt in einer Studio-Produktion zu studieren, die vor 15 Jahren mit den Bochumer Symphonikern entstand.
Die Liebesgöttin als Mentorin
Das Libretto des Film- und Fernsehautors Michael Dyne nimmt das alte romantische Thema der zum Leben erwachten Statue auf. Aber anders als die Venus von Ille in der Erzählung von Prosper Mérimée bringt das Marmorbild der Göttin dem Protagonisten der Handlung kein Unglück, sondern kittet seine brüchige Beziehung zu einer Frau, die er vorbehaltlos zu lieben sich bisher nicht traute. Eine gemeinsame Urlaubsreise nach Tunesien führt den Schriftsteller Charles und seine Freundin Yvonne nicht näher zusammen, sondern treibt sie auseinander, weil er sich als eifersüchtig und pedantisch erweist. In seiner Not ruft er die antike Statue der Venus an, die ihm alsbald als rothaarige junge Frau in durchsichtigem Gewand erscheint und ihn auf die Insel Djerba entführt, wo sie ihm eine gründliche Liebeslektion erteilt. Die soll ihm helfen, „eine Brücke des Glaubens“ zu seiner Partnerin zu bauen, stabil genug, immer wiederkehrenden Stürmen zu trotzen, denn – so die Mahnung der wissenden Göttin – „Liebe ist Furcht und Sehnsucht“.
Im Geiste der „Roaring Twenties“
Thematisch wie musikalisch lässt das Stück den Geist der 20er wieder aufleben. Man kann auch Parallelen erkennen zu Arnold Schönbergs einaktigem Ehe-Dramolett Von heute auf morgen, das – in Zwölftontechnik komponiert – viele parodistische Zitate enthält, spielerisch Elemente des Jazz und der Tanzmusik aufnimmt. Antheil verfährt ähnlich, indem er zur Beschreibung von Personen und Situationen Rhythmen wie Rumba oder Two Step einsetzt, mit nachgeahmten Orientalismen in den Holzbläsereinsätzen tunesisches Kolorit schafft und romantische Liebeskantilenen der alten Oper satirisch überzeichnet. Bei der Führung der Singstimmen herrscht ein rezitativischer Konversationston vor, der sich fallweise zu kurzen Kantilenen aufschwingt.
Idiom getroffen
Der Dirigent Steven Sloane, von 1994 bis 2021 Generalmusikdirektor der Bochumer Symphoniker, war wohl der richtige Mann, dem Stück neues Bühnenleben einzuhauchen, auch wenn es sich nur um eine konzertante Wiedergabe handelt. Die Musiker folgen seinen Vorgaben mit spielerischer Lust, Liebe zu den Details und rhythmischer Lockerheit. Auch die Sänger sind gut auf den Stil eingestimmt. Dass sich die Sopranistinnen Johanna Stojkovic als Yvonne und Claudia Barainsky als Venus vom Stimmtypus kaum unterscheiden, macht dramaturgisch durchaus Sinn. Neben diesen beiden dominanten Frauen erscheint der lyrische Bariton Miljenko Turk (Charles) als ein eher softer Typ, in den Rollen der schlitzohrigen Araber agieren Thomas Laske (Wirt) und Stephan Boving (Straßenhändler) sehr dezent, möglicherweise um Karikatur zu vermeiden.
Ekkehard Pluta [12.12.2024]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
George Antheil | ||
1 | Venus in Africa (Oper in einem Akt) | 00:56:34 |
Interpreten der Einspielung
- Johanna Stojkovic (Yvonne, ein attraktives Mädchen - Sopran)
- Miljenko Turk (Charles, ein attraktiver junger Mann - Bariton)
- Thomas Laske (An Innkeeper, ein Araber - Bariton)
- Claudia Barainsky (Venus, Das Mädchen - Sopran)
- Stephan Boving (Der Hausierer - Tenor)
- Bochumer Symphoniker (Orchester)
- Steven Sloane (Dirigent)