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Besprechung CD

Carpathian Tales

Lelie Cristea

Solo Musica SM 420

1 CD • 57min • 2022

22.06.2025

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 7
Klangqualität:
Klangqualität: 9
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 7

Lelie Cristea, 1990 in Gelsenkirchen geboren, ist als Violinistin in die Fußstapfen ihrer Familie getreten: schon ihr Großvater Ionel war Geiger (mit eigenem Salonorchester in den 1930er Jahren), und ihr Vater Ion-Henry wirkte u.a. als Konzertmeister an der Wiener Kammeroper. Zu diesen familiären Traditionen gehört natürlich auch ihre (von ihr selbst so bezeichnete) „zweite Heimat“ Rumänien (bzw. die rumänischen Karpaten). Beides hat in ihrem vorliegenden ersten Album, Carpathian Tales genannt, eine wichtige Rolle gespielt: es handelt sich um eine Art musikalische „Spurensuche“, zumal Cristea selbst offenbar a priori nur einige ausgewählte rumänische Komponisten und Werke vertraut waren. Begleitet wird sie vom Pianisten Maxim Shamo (ebenfalls aus einer Musikerfamilie stammend, ob es sich dabei um die gleichnamigen ukrainischen Komponisten Igor und Juri handelt, konnte ich leider nicht klären); teilweise ist auch das Swonderful Orchestra unter der Leitung von Catherine Larsen-Maguire mit von der Partie.

Fundgrube rumänische Musik

Grundsätzlich ist es eine ausgesprochen reizvolle und lohnenswerte Idee, in den Archiven der rumänischen Musik ein wenig zu stöbern, zumal von Electrecord zu Zeiten des Sozialismus etliches auf Schallplatte erschienen ist und der rumänische Rundfunk nach wie vor (und im lobenswerten Unterschied zur Situation hierzulande) ein bemerkenswert vielfältiges und anspruchsvolles Programm inklusive zahlreicher historischer Aufnahmen sendet. Allerdings besteht Cristeas Konzept nicht unbedingt darin, ein klassisches Album zusammenzustellen; vielmehr geht es ihr darum, „besondere Werke aus Klassik, Film- und Salonmusik in exklusiven Arrangements aufzunehmen und festzuhalten“. So erlebt man etwa von Enescus grandioser Violinsonate Nr. 3 a-moll op. 25 dans le caractère populaire roumain nur den ersten Satz, ebenso wie im Falle seiner Impressions d’enfance op. 28.

Schöne, reizvolle, inspirierte Miniaturen

Von den in Deutschland vermutlich wenig bekannten Komponisten Dumitru Bughici (1921–2008) und Mircea Chiriac (1919–1994) wählt Cristea frühe bzw. sehr frühe Werke aus: Bughicis Suite im rumänischen Stil ist sein Opus 1 aus dem Jahre 1953, Chiriacs Serenade entstanden gar bereits 1937, fast ein Jugendwerk also. Schöne, reizvolle, inspirierte Miniaturen, von denen man allerdings nicht unbedingt auf den reifen Stil ihrer Schöpfer schließen sollte – dies lediglich zwecks Einordnung. Im Falle von Bughicis Suite hat sich Cristea dafür entschieden, nicht das Original (für Violine und Klavier) einzuspielen, sondern ein Arrangement für Violine, Streichorchester und Klavier durch den mit ihr befreundeten Filmkomponisten und Arrangeur Nikolaï Clavier. Aus meiner Sicht gereicht dies dem Werk entschieden zum Nachteil, denn der unbeschwerte, charmante, dabei im Detail durchaus expressive folkloristisch-neoklassizistische Ansatz des Originals verliert sich hier zwischen breiten, wattierten Klängen des Streichorchesters, die eigentlich erst wirklich für die von Cristea konstatierte quasi-filmische Atmosphärik sorgen. Deutlich besser funktioniert Claviers Arrangement von Jo Knümanns Rumänisch, 1933 als Stück für Salonorchester publiziert.

Mit großem Engagement

Ein Unikat des vorliegenden Programms sind zwei der Etude-Capricen aus der Feder von Cristeas Großvater Ionel, die eher in der (um einige modernere Aspekte angereicherte) Tradition didaktischer Sololiteratur des 19. Jahrhunderts anzusiedeln sind. Übrigens existieren offenbar einige Schellack-Aufnahme von Ionel Cristeas Orchester aus den 1930er Jahren; vielleicht wäre es sogar eine Überlegung wert gewesen, ein oder zwei dieser historischen Einspielungen (im Falle ihrer Verfügbarkeit) auf der vorliegende CD mit vorzustellen. Lelie Cristea jedenfalls spielt das hier vorgestellte Repertoire mit großen Engagement und recht sattem Vibrato. Auf der Kehrseite geht manchen der Stücke wie etwa Scărlătescus Bagatelle im rumänischen Volkston oder Angeluș Dinicus Ciorcâlia (Die Lerche) eine gewisse Leggerezza ab, und auch die sehr detaillierten Vortragsanweisungen in Enescus Violinsonate könnten durch eine stärkere Differenzierung in Ton und Dynamik intensiver ausgelotet werden, auch im Hinblick auf die innere Dramaturgie der Musik.

Mehr Details wünschenswert

Nicht ganz überzeugend ist die Präsentation der CD: es werden keine Spieldauern, keine Lebensdaten (speziell im Falle ihres Großvaters Ionel liegt auch online nichts vor), Entstehungsdaten (mit einigen wenigen Ausnahmen) oder, wenn vorhanden, Opuszahlen angegeben. Hier wäre mehr möglich, um den Hörern die ihnen wohl in den meisten Fällen unbekannten Komponisten auch auf der Sachebene noch näherzubringen. Erfreulich präsent und natürlich der Klang der CD.

Holger Sambale [22.06.2025]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
George Enescu
1Sonate Nr. 3 a-Moll op. 25 für Violine und Klavier (Dans le caractère populaire roumain)
2Impressions d'enfance op. 28 für Violine und Klavier
3Ballade E-Dur für Violine und Klavier
Dumitru Bughici
4Suite in Romanian Style
Ionel Cristea
8Etude Caprice Nr. 1
9Etude Caprice Nr. 8
Ciprian Porumbescu
10Balada
Ion Scarlatescu
11Bagatelle
Jo Knümann
12Rumänisch
Mircea Chiriac
13Serenade
Anghelius Dinicu
14Ciocărlia
Grigorasch Dinicu
15Hora Mărtişorului

Interpreten der Einspielung

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